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Münden - Ausbildungsstandort für die Polizei seit 1921 bis heute

Von der Preußischen Polizeischule bis zur Polizeiakademie der Polizei Niedersachsen
 

Die Stadt Hannoversch Münden - am Zusammenfluss von Werra und Fulda zwischen den Höhen des Kaufunger Waldes, Reinhardswaldes und Bramwaldes gelegen - hat eine lange Tradition als Ausbildungsstandort für die deutsche Polizei.

Im Jahre 1921 wurde in der ehemaligen, 1901 erbauten kaiserlichen Pionierkaserne des 11. Kurhessischen Pionier-Bataillons die preußische Polizeischule für den Bereich Kurhessen und Teile der Provinz Hannover eingerichtet. Bis zum Jahre 1934 zogen dann die Soldaten des Pionier-Bataillons 29 aus Ulm in die Kurhessenkaserne ein.

Die Ausbildung der jungen Polizeianwärter zur damaligen Zeit war äußerst hart und anstrengend. Neben dem Unterricht in den Rechtsfächern wurde sehr viel Sport getrieben. Die Waffen- und Formalausbildung umfasste den größten Teil. Die Beamten wurden einer infanteristischen, fast soldatischen Ausbildung unterzogen. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches hatte es die junge Demokratie im Deutschland der 20er-Jahre sehr schwer. Radikale linke und rechte Gruppen versuchten, die Weimarer Republik aus den Angeln zu heben und sie zu beseitigen. Weltwirtschaftskrise und eine hohe Arbeitslosigkeit führten zu Streiks und Unruhen auf der Straße. Die Polizei hielt immer loyal zur jungen demokratischen Republik und wurde ständig bei gewaltsamen politischen Auseinandersetzungen, Unruhen und Aufständen eingesetzt. Sie hat stets treu ihre Pflicht erfüllt. Viele Polizeibeamte haben für die Weimarer Republik die Gesundheit oder sogar ihr Leben geopfert. Die politische Machtübernnahme konnten sie aber trotzdem nicht verhindern. Ein großer Teil der Polizeiführer aus der preußischen Polizei der Weimarer Zeit wurde unmittelbar nach der Machtergreifung „kaltgestellt“. Zwischen den Jahren 1934 bis 1946 fand in Hannoversch Münden keine Ausbildung für die Polizei statt.

Zu Beginn der 50er-Jahre bis Juli 1956 waren BGS-Einheiten in der Kurhessenkaserne untergebracht.

Schon unmittelbar nach Kriegsende 1945 suchte die britische Militärregierung junge, unbelastete Männer für den Polizeidienst. Die ehemaligen aktiven Polizeibeamten waren entweder parteipolitisch belastet oder befanden sich noch in der Kriegsgefangenschaft. Es war aber für die Wiederherstellung der Sicherheit und Ordnung erforderlich, eine Polizei aufzustellen. Viele Menschen waren nach den Kriegswirren entwurzelt; freigelassene Fremdarbeiter hielten sich an der Bevölkerung schadlos - es herrschte allgemein ein großes Chaos. Erst allmählich konnte sich eine funktionierende Verwaltung aufbauen.

Dienststellenleiter waren oft ehemalige Polizeioffiziere, die durch das Dritte Reich wenig oder gar nicht belastet waren. Oft waren sie zum Polizeimeister degradiert worden und unterlagen der ständigen Kontrolle durch die englische Militärregierung.

Die Ausrüstung war äußerst schlecht und unzureichend. Die Uniformen waren überwiegend entmilitarisierte Wehrmachtsuniformen. Die Bewaffnung bestand meistens nur aus einem Gummiknüppel; Schusswaffen wurden nur zu besonderen Anlässen ausgegeben. Die jungen Polizeianwärter der Region Hannover wurden meistens zur Polizeischule nach Hannover geschickt und in der alten Uhrkaserne am Welfenplatz in Sechs-Wochen-Lehrgängen polizeilich beschult.

Am 27. Mai 1946 wurde auf Befehl der englischen Militärregierung die Regionspolizeischule von Hannover in die leerstehende Gneisenau-Kaserne nach Hannoversch Münden verlegt. In den frühen Morgenstunden des 28. Mai 1946 trafen die Polizeischüler und das Gerät am Bahnhof in Münden ein.

Am 11. Juni 1946 begann der erste Anwärterlehrgang in Münden. Unter denkbar schlechtesten Verhältnissen lief der Lehrbetrieb an. Die Kaserne war in den letzten Kriegstagen von den Alliierten bombardiert und schwer beschädigt worden - vieles wurde auch von der Bevölkerung geplündert. Teilweise musste das Stammpersonal, getrennt von den Familien, in dieser Kaserne wohnen. Erst im Laufe der Jahre wurden für die Familien Wohnungen gebaut, sodass auch die drei Häuser vor dem Tor bezogen werden konnten. Es war schwer, Brennmaterial und Verpflegung zu beschaffen. Die Not war groß; für Stammpersonal und Schüler wurde auf den umliegenden Äckern der Gemeinde Gimte so manche Kartoffel- oder Steckrübenmahlzeit „organisiert“.

Nach Gründung des Landes Niedersachsen mit Wirkung ab ab 1. Januar 1947 war die Polizeischule dem Innenminister unterstellt und trug seitdem den Namen „Polizeischule des Landes Niedersachsen“. Die Polizeischule in Hannoversch Münden ist somit älter als das Land Niedersachsen.

Zu Beginn stand die Polizeischule noch unter britischer Aufsicht und Kontrolle. In den darauffolgenden Jahren entwickelte sie sich dann zu einer modernen Ausbildungsstätte für die Polizei. Die Unterkünfte und Klassenräume wurden baulich umgestaltet und den modernen Bedürfnissen und Erforderlichkeiten angepasst. Neue Lehrsaalgebäude, Wohnunterkünfte und ein Speisesaal wurden gebaut und das Stammpersonal aufgestockt. Viele Beamte, Angestellte und Arbeiter zogen mit ihren Familien nach Hannoversch Münden. Ein großer Teil der jungen Beamten lernte hier in Münden die spätere Ehefrau kennen, von denen einige mit ihrem Ehemann (Polizeibeamten) in das Land hinauszogen. Viele Stammangehörige bauten sich in den 60er- und 70er-Jahren Häuser in Hannoversch Münden und Umgebung. Der Ort Gimte wurde auch manchmal scherzhaft „Schutzmannshausen“ genannt. Die Landespolizeischule war zu einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor für die Mündener Region geworden und aus dem öffentlichen Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken. Die Schule in Münden erweitert sich im Laufe der Jahre, und es wurden Ausbildungsstätten in Uelzen, Sögel, Wolfenbüttel, Huntlosen, Rodenberg am Deister, Liebenau, Bad Iburg, Braunschweig, Hohegeiß, Lüchow, Hannover und Oldenburg geschaffen und eingerichtet. Tausende Polizeibeamte und später auch –beamtinnen besuchten diese Ausbildungsstätten der Niedersächsischen Polizei, wobei die Schule in Münden stets das Mutterhaus der Polizei Niedersachsen war.

Polizeischule Ende der 1950er Jahre

Es wurden Grundausbildungslehrgänge, Laufbahnlehrgänge für den mittleren und gehobenen Dienst, Vorbereitungslehrgänge für die Ausbildung des höheren Dienstes, BGS-Unterweisungslehrgänge, Fachhochschulreife-Lehrgänge und unzählige Seminare und Fortbildungsveranstaltungen im Laufe der fast 51-jährigen Existenz der Polizeischule in Münden durchgeführt. Der Mediendienst mit Bibliothek und Archiv genoss über die Grenzen des Landes Niedersachsen hinaus einen sehr guten Ruf. Mit der in Münden erscheinenden Fachliteratur für die Polizei wird auch an Polizeischulen in anderen Bundesländern gearbeitet.

Im Rahmen der Reform der Polizei und der Einführung der zweigeteilten Laufbahn in Niedersachsen hat die Polizeischule ihre originäre Aufgabe, nämlich Aus- und Fortbildung des mittleren Dienstes, verloren. Viele Stammangehörige haben der LPSN in den letzten Jahren den Rücken gekehrt und sind in den polizeilichen Einzeldienst, vorwiegend in den südlichen Bereich Niedersachsens, gegangen. Im Jahre 1997 ist die Ausbildung für den mittleren Dienst ausgelaufen. Am 1. Mai 1997 wurde die Polizeischule in Münden - fast 51 Jahre nach ihrer Gründung - aufgelöst. In der Liegenschaft der Schule ist dann die am 1. April 1997 eingerichtete Abteilung der Fachhochschule Hildesheim und ab dem 1. Mai 1997 ein Teil des Bildungsinstitutes der Polizei Niedersachsen untergebracht. Im BIPNI wurde die Aufstiegsausbildung für den gehobenen Dienst im Rahmen der zweigeteilten Laufbahn sowie Fortbildungsseminare für Polizeibeamte durchgeführt.

Die Fachhochschule und das Bildungsinstitut der Polizei wurden am 30.09.2007 aufgelöst.

Am 01.10.2007 wurde die Polizeiakademie eingerichtet und diese Akademie ist nun verantwort- lich für die Ausbildung der jungen Polizeistudenten. Die Ausbildung wird im Rahmen eines Bachelor-Studiums durchgeführt. Der Hauptsitz mit Leitung und Verwaltung der Polizeiakademie ist in Nienburg an der Weser. Die Orte Hann. Münden und Oldenburg sind ausgelagerte Studienstandorte der neuen Akademie.

Es bleibt zu hoffen, dass diese neue Aus- und Fortbildungseinrichtung der Polizei noch lange in Münden bleiben wird und die Tradition der Stadt Münden als Ausbildungsstandort für die Polizei bis weit in das neue Jahrtausend fortgesetzt wird.
(Stand: 03.01.2012)

Text:
Wolfgang Bury
Polizeioberkommissar
Polizeikommissariat Münden
Welfenstraße 3


"Nicht Militaristen, sondern Polizisten" (Zeitungsartikel v. 30.04.1949)

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